
Helvetia - ist es das Geld wert?
Angesichts des nicht zu rechtfertigen Angriffs Russlands auf die Ukraine kann man das Verhalten der Finanzmacht Schweiz nur verurteilen. Ist es der Schweiz wirklich
das Geld wert Wladimir Putin, seine Vertrauten, all die Marionetten und Hofschranzen, die Mittätern und Milliarden schweren Oligarchen nicht mit harten finanziellen Sanktionen zu belegen? Können
die Schweizer Eidgenossen ruhig schlafen, obwohl weiterhin uneingeschränkt 80 Prozent des russischen Rohstoffhandels über die Finanzdienstleistungszentren Genf, Zug, Lugano und Zürich abgewickelt
werden und so dieser furchtbare Angriffskrieg finanziert wird? Ist Helvetia so abgeklärt, dass Geld über der Moral steht?
Die russische Elite liebt die Schweiz. Gerne fliegt der russische Geldadel für medizinische Eingriffe ein, gönnt sich exklusive Winterferien in Graubünden oder im
Berner Oberland und gibt Unmengen Dollar in Zürich, Genf und Bern beim Wochenendshoppen und Immobilienkaufen aus. Die Schweiz hätte einige mächtige Hebel, mit denen sie den russischen Machthaber
und seine Lakaien empfindlich treffen und schwächen könnte. Was Wladimir und seine engsten Vertrauten am meisten Angst macht, ist Macht- und Vermögenverlust.
Der 7-köpfige eidgenössische Bundesrat hat den Einmarsch, den eklatanten Völkerrechtsbruch, den Angriffskrieg Putins, mit klaren Worten verurteilt. Aber statt
diesen Worten auch Taten folgen zu lassen, etwa die riesigen Vermögen einzufrieren, um Geldflüsse zu unterbinden, folgte nur eine vage Verschärfung der sogenannten
"Umgehungsverhinderungsmaßnahmen", die die Schweiz nach der Besetzung der Krim 2014 verhängt hatte. Das wirft nicht nur Fragen auf, sondern ist zutiefst beschämend und lässt Parallelen zur Rolle
der Schweiz in der Nazizeit erkennen.
im Dritten Reich war die Schweiz mit ihren Politikern und Bankenvorständen der willige Helfer in finanzieller Hinsicht des NSDAP Regimes. Das »kleine
Stachelschwein«, so wurde die Schweiz in Nazi-Deutschland genannt, diente mit ihren weitweiten Finanzverbindungen als Geld- und Goldspeicher und Finanzdienstleister. Aus rein finanziellen Gründen
wurde Helvetia von den Nazis verschont. Das in der CH (Confoederatio Helvetica) gebunkerte Nazigold, gestohlen von fremden Staatsbanken, geraubt von jüdischen Familien in den Ghettos und
Vernichtungslagern, hätte heute einen Wert von etwa 5 Milliarden Dollar. Zwischen den Kriegsjahren 1940 und 1944 verkaufte die Schweiz für über eine Milliarde Franken Waffen und
Munition an die Reichswehr.
Und ausgerechnet bei diesem von Russland verübten brutalen Völkerrechtsbruch und Angriffskrieg dingt sich die Schweiz wieder als Finanzdienstleister an. Es passt in
das Bild der ach so sauberen Eisgenossen, geschichtlich wie auch in Hinblick auf den Skandal, der sich jetzt mit der Credit Suisse abzeichnet. Wie enthüllt wurde, schauten in den letzten Jahren
Schweizer Banken allzu gern weg, bei den jährlichen 2,5 Milliarden Dollar Geldeinlagen aus nicht unproblematischen Geschäften russischer Privatpersonen.
Am Freitag betonte die Schweiz vollmündig, dass sie die Gesprächskanäle für Russland und die Ukraine offenhalten wolle, für Friedensgespräche. Das ist blanker
Zynismus angesichts der massive Angriffe der russischen Armee auf Kiew und andere ukrainische Großstädte und dem erklärten Ziel Putins, die Regierung zu vernichten. Es muss massiver
wirtschaftlicher Druck ausgeübt werden, der Geldhahn abgedreht werden. Doch weiterhin können russische Politiker, allen voran Putin, die Oligarchen und Wirtschaftsbosse Geld von ihren Schweizer
Konten abheben, transferieren und womöglich in diesen Krieg stecken.
Das Verhalten der Schweiz ist nicht nur skandalös, sondern steht im krassen Widerspruch zu dem was man unter Neutralität eines Staates verstehen darf. Mit
dieser Haltung ist die Schweiz wieder wie damals im Zweiten Weltkrieg, ein williger Diener eines völkerrechtbrechenden diktatorischen Systems. Damit hat sich Helvetia auch als möglicher
Vermittler diskreditiert. Es gibt mehrere aber zwei grundlegende Formen des Bankrotts. Den wirtschaftliche und den moralische. Der moralische Bankrott ist der Schlimmste.
Tom Kleinrensing
27.02.2022